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Mapuche bei den „United Colours“ ausgeschlossen

Die unsichtbaren Farben von Benetton

10. Juni 2004

Der Konflikt zwischen den Mapuche, der Urbevölkerung des südlichen Argentiniens sowie Chiles einerseits, und der italienischen Benetton-Gruppe andererseits, dringt nun auch in die Öffentlichkeit durch, nachdem Mapuchefamilien entdecken mussten, dass das Land ihrer Vorfahren ihnen scheinbar nicht mehr gehört. Das Problem hat sich in den vergangenen Monaten zugespitzt, nachdem die im Besitz von Benetton befindliche Gesellschaft „Compania de Tierras del Sud Argentino Sociedad Anónima“ die argentinische Justiz eingeschaltet hatte, um Mapuchefamilien von ihrem Land zu vertreiben.

Die letzte dieser Räumungen wurde am 31. Mai gegen die Familien Atilio Curiaco und Rosa Nahuelquir ausgeführt, welche von dem Unternehmen der widerrechtlichen Aneignung von Ländereien beschuldigt wurden, als sie versucht hatten, auf das Land ihrer Vorfahren zurückzukehren. Der Richter Jorge Eyo aus Esquel (1.460 km südlich von Buenos Aires) unterstützte mit seinem Urteil die Position des Unternehmens.

Die obskuren Geschäfte Benettons

In den letzten 10 Jahren hat Benetton sich ca. 900.000 Hektar Land in den patagonischen Provinzen Neuquen, Rio Negro, Chubut und Santa Cruz angeeignet. Seitdem gehen sie dazu über, Landstriche abzuriegeln und deren Bewohner zu vertreiben. Ziel dieses Vorgehens ist für Benetton die Schafzucht, welche die Nachfrage nach Wolle, die sie für ihre Textilindustrie benötigen, stillen soll. Dabei sollen die Produktionskosten durch billige Arbeitskräfte niedrig gehalten und hohe Gewinne erzielt werden. Benetton hat die Ländereien der „Compania de Tierras del Sud Argentino S.A.“ abgekauft, deren Rechtsmäßigkeit bezüglich des Besitzanspruchs schon sei jeher von den Mapuche angezweifelt und von den Anwälten, die jene Mapuchefamilien vertreten, untermauert wurden.

Die Rechtsgrundlage zur Gründung der Compania ist in der öffentlichen Meinung Argentiniens, speziell in den patagonischen Provinzen, ernsthaft hinterfragt worden. So plädiert man für eine Verjährung der Besitzansprüche derartiger Gesellschaften, darunter auch die Benetton-Gesellschaft. Man fordert außerdem die Rückgabe dieser Ländereien an deren legitime Besitzer, verstanden als Ausdruck der Gerechtigkeit und als geschichtliche Wiedergutmachung des argentinischen Staates gegenüber dem Mapuchevolk des Puelmapu.

Diese sowohl an die zentrale als auch an die lokale Regierung gerichtete Petition der Zivilgesellschaft argumentiert außerdem mit der fehlenden Transparenz mit der diese Gesellschaften auftreten, bei denen niemand weiß, wer letztendlich die Besitzer oder Aktionäre sind, die aber immer großflächigere Landstriche kontrollieren, während demgegenüber die Mapuche und andere soziale Gruppierungen in extremer Armut leben.

Die Anwälte, die die Mapuche vertreten, haben anhand von Gesetzesvorlagen die anhaltenden Beschwerden der Mapuchekommunitäten angesichts der willkürlichen und illegalen Aneignung ihres Landes seitens der Latifundisten, Gesellschaften und dem Argentinischen Staat bekräftigen können.

Die Geschichte des Territorialkonfliktes der Mapuche

Nach dem fast hundertjährigen grausamen Kolonialkrieg gegen das Mapuchevolk gelang es den Spaniern nicht, sie militärisch zu zerschlagen, vielmehr sahen sie sich 1641 in dem Vertrag von Killin gezwungen, die Grenze zum Mapucheland anzuerkennen. Hiermit war die Mapuche-Nation die erste indigene Nation Lateinamerikas, deren Unabhängigkeit von der damals größten europäischen Macht (Spanien) anerkannt wurde.

In der Zeit der Unabhängigkeitserklärungen Chiles und Argentiniens gegenüber Spanien im Jahr 1810 war der Wallmapu, d.h. das Mapucheland weiterhin unabhängig und unter der Kontrolle der souveränen Mapuchenation.

Das Territorium der Mapucheorganisation wurde nach dem Kolonialkrieg, der Mitte 1870 begann und 1885 mit der militärischen Unterwerfung der Mapuche endete, vom argentinischem Staat annektiert. Diese militärische Aggression ist als „Wüstenfeldzug“ bekannt. Sein Ziel bestand darin, die Mapuchebevölkerung zu exterminieren, um deren Land und Naturressourcen in Besitz zu nehmen. Mit der militärischen Niederlage des Mapuchevolkes und der Besetzung des Puelmapu (Mapucheland auf der argentinischen Seite) begann der Siegerstaat das Mapucheland aufzuteilen. Es wurden enorme Großgrundbesitze gebildet, einige davon auf der damals bestehenden Rechtsgrundlage, andere halblegal, und wiederum andere in offenem Widerspruch zu den Siedlungsgesetzen jener Zeit. 1891 gründeten zehn englischstämmige Familien eine Gesellschaft mit dem Namen „Compania Tierras del Sud Argentino Limitada“. Dieses Unternehmen wurde später in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und ein Jahrhundert später von Benetton für den Preis von 50 Millionen Dollar übernommen.

Ein Aufruf an das Gewissen

Seit der Besetzung ihres Landes musste das Mapuche-Volk des Puelmapu eine der schlimmsten Verfolgungen in der Geschichte Lateinamerikas ertragen: Seit dem Genozid während des „Wüstenfeldzuges“ bis zu der systematischen kulturellen Ausrottung der Überlebenden. Mit dem Ziel, jegliche indigene Spur mit Hilfe eines brutalen Prozesses der Akkulturisation zu löschen, wurden viele von ihnen in die feindliche Armee einverleibt, während andere entführt und in die Hauptstadt Buenos Aires transportiert wurden, wo sie wie Gegenstände an europäische Familien oder Einzelpersonen verteilt wurden. Vor allem in der Gegend „El Retiro“ fanden diese „Adoptionen“- so die offizielle Version- statt. In Wirklichkeit wurden die Mapuche zur Hausarbeit gezwungen und wie Sklaven gehalten.

Nach dem Ende des Feldzuges gegen die Mapche wurden sie unerbittlich von den Siedlern verfolgt, die berüchtigte bewaffnete Banden we z.B. die „Indiojäger“ unter Vertrag nahmen. Deren Gehalt hing von der Anzahl der ermordeten Indígenas ab. Man bekämpfte die soziale Organiationsformen und die traditionellen Autoritätspersonen der Mapuche, die Gräber ihrer Helden wurden geplündert und als Kriegstrophäen in den Museen ausgestellt, ihre Mapuchenamen wurden verbannt und sogar die Verwendung des Wortes „Mapuche“ zensiert. Die Geschichtsschreibung ist die der Kriegsgewinner. Sie rechtfertigt die Besetzung des Landes und den Genozid am Mapuchevolk. Sie ist durchtränkt mit rassistischen Elementen und weist vor allem auf persönliche Wirtschaftsinteressen in der Region hin.

Eben jene rassistischen „Historiker“, die heute mit Benetton kollaborieren, wollen nun auch noch Besitz ergreifen von der Geschichte des Mapuchevolkes. So sind auch in dem Museum von Leleque, das von Benetton unterstützt wird, die regionalen Untergruppen der Mapuche des Pelmapuc nicht vorhanden: die Williche, Lafkenche, Tehuelche, Rankelche, Pewenche usw. Sie existieren nicht in den Augen dieser Historiker oder von ihnen ist die Rede in diskriminierender Weise: „Indios“, „Primitive“, „Ureinwohner“.

Geschichtliche Wiedergutmachung

Heutzutage fordert das Mapuchevolk weiterhin die Anerkennung seiner Rechte als Volk sowie die Rückgabe seiner Ländereien, da sie immer noch in dem Land ihrer Vorfahren leben möchten: ein Land, das ihnen nach dem Naturrecht und aus geschichtlicher Sichtweise gehört. Auf dieses Recht haben sie nie verzichtet und werden sich weiterhin einsetzen bis ihnen Recht gegeben wird. Forderungen wie die der Mapuche werden sowohl im internationalen Recht als auch in der Rechtssprechung der einzelnen Staaten vertreten.

Der Standpunkt der Mapuche stützt sich auf die folgenden Gesetzesgrundlagen:

  1. Benneton missachtet die Richtlinien der europäischen Union hinsichtlich europäischer Unternehmen, die in Schwellenländern investieren (Resolution 151/1/99)
  2. Die Mapuche des Landes ihrer Vorfahren zu berauben, widerspricht Artikel 75, Absatz 17 der argentinischen Verfassung von 1853/1994, die die Preexistenz der indigenen Völker in Argentinien anerkennt und außerdem den individuellen Besitz und Gemeinschaftsbesitz nach dem Gewohnheitsrecht anerkennen und die Übergabe anderer Länder regeln, die das Fortbestehen der Menschen dort sichern und nicht veräußert, übertragen oder belastet werden dürfen.
  3. Den Mapuche die Grundlage für ihre wirtschaftliche Subsistenz zu nehmen, widerspricht Artikel 14 und 17 des Gesetzes 24.071 der Ratifikation des Abkommens 169 der „Internationalen Arbeitsgruppe zu den indigenen Völkern“, in dem die Staaten sich dazu verpflichteten, die indigenen Völker sowie deren Recht auf Besitz, speziell der Länderein, die sie traditionell bewohnen, anzuerkennen. Außerdem sollen Schutzmaßnahmen ergriffen werden, die sicherstellen, dass die indigenen Völker auch solches Land nutzen können, dass nicht ausschließlich von ihnen bewohnt wird, zu dem sie aber traditionell Zugang hatten, um traditionellen und wirtschaftlichen Aktivitäten nachzugehen.

Demnach fordern wir als die Unterzeichner dieses Dokuments :

  1. Die Rechtsgrundlage, auf die sich die Gesellschaft „Compania de Tierras Sud Argentino S.A.“, heutzutage im Besitz von Benetton, beruft, muss einer Untersuchung unterworfen werden.
  2. Initiativen, die auf eine politische Lösung des Landproblems des Mapuchevolkes abzielen, müssen erarbeitet werden unter Anbetracht der Tatsache, dass der aktuelle Rechtsstaat die Rechte und Interessen des Mapuchevolkes nicht adäquat umsetzt oder zumindest umzusetzen scheint.
  3. Die Zurückgabe der umstrittenen Ländereien an die Mapuchekommunitäten, speziell der von Benetton illegal erworbenen Landstriche.

Unterzeichnet von:

  • Mapuche Internationaler Link – Reynaldo Mariqueo (Großbritannien) mil@mapuche-nation.org
  • Dokumentationszentrum Nuke Mapu – Jorge Calbucura (Schweden) calbucura@comhem.se
  • Belgian American Indian Committee – Gaston Lion (Belgien) gaston.lion@skynet.be
  • Mapuche Support Group, Siegen (Deutschland) grupomapuchesiegen@yahoo.com
  • Rucadugun Indigenous Documentation Centre – Carlos Contreras Painemal (Deutschland) contrerpaine@yahoo.com
  • Mapuche Nation Support Committee, Victor M. Gavilan (Calgary, Kanada) vgavilan@shaw.ca
  • Mapuche Nation Support Committee, Dionisio Barrales, (Edmonton, Kanada) wenuleufu@shaw,ca
  • Mapuche Nation Support Committee, Cecilia Aguilera (Winnipeg, Kanada) uennamanriquez114@hotmail.com
  • Mapuche Nation Support Committee, Carlos Pilquil (Montreal, Kanada) ccarlos003@sympatico.ca
  • Mapuche Nation Support Committee, Armando Navarrete (Montreal, Kanada) antu@videotron.ca

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Aus dem Spanischen übersetzt von: Mapuche Support Group, Siegen (Germany)
grupomapuchesiegen@yahoo.com


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