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Vertrauliche Mitteilung an die Chilenen

Elicura Chihuailaf

"Dies ist wahrhaft der Moment um nachzudenken und zu handeln" - sagt Condor de oro - "um uns darüber bewusst zu werden, wo wir im Moment sind, und wie wir die neuen Bedrohungen konfrontieren, die sich über unsere Natur und ihre Ressourcen legen, denn diese sind bilden das Fundament unserer Mapuche-Kultur. Die Auseinandersetzung damit gibt Raum, um von neuem darüber nachzudenken, wer wir sind wie wir im Bewusstsein unserer Rechte, der Zukunft unserer Kinder und vor allem der historischen Würde unseres Volkes handeln können.

Und obwohl dieses Problem nur uns zu betreffen scheint, so geht es doch die gesamte chilenische Gesellschaft, ja, die gesamte Menschheit an. Wir stehen einem System gegenüber, das die gesamte Menschheit zur Selbstzerstörung führt; zur Zerstörung des Lebens, der Tiere und Pflanzen, der existierenden Geister und Kräfte, die unsere heiligen Orte beherrschen. Das ist genau der Punkt, der uns von sämtlichen Umweltschutzgruppen unterscheidet.

Als Mapuche sind wir dazu verpflichtet, uns dem modernen kapitalistischen System entgegenzustellen und aufzuzeigen, dass seine Mechanismen recht wenig zur Integrität und dem Wohl der Menschheit beitragen. Das sich überall verbreitende System der berühmten industriellen Revolution birgt tiefe Widersprüche und Kämpfe in sich, wobei unsere Werte keinerlei Beachtung finden. Dieser Weg der Expansion und der aufgezwungenen Entwicklung ist unserer Lebens- und Seinsweise völlig fremd. Deshalb lehnen wir uns dagegen auf. Denn wir sind nicht an der Anhäufung von Reichtümern beteiligt, die nur einigen Wenigen zufließen. Ebenso wenig sind wir an der Verteilung von Land beteiligt, welche von den Staaten und den transnationalen Konzernen vorgenommen wurde.

Die Einführung des neoliberalen Systems hat einen verheerenden Sozialabbau hervorgebracht. Die Folge davon ist ein großes Ungleichgewicht innerhalb der gesamten chilenischen Gesellschaft. Auch wir Mapuche sind nicht frei davon. Trotz der qualitativen Unterschiede zwischen beiden Gesellschaften, werden wir Mapuche weiterhin übergangen, und die Mittel, mit denen wir uns zu verteidigen versuchen erweisen sich als unfähig, widersprüchlich, ungenau und befriedigen nicht die wirklichen Bedürfnisse der Gemeinschaften und des ganzen Volkes.

Die Situation in unseren Gemeinschaften sieht schlecht aus; zudem scheint sie sich immer mehr zu verschlechtern, und es sind keine langfristigen Verbesserungen zu erkennen. Auch herrscht zur Zeit kein günstiges politisches Klima seitens der chilenischen Regierung, so dass unseren Anklagen kein Gehör geschenkt wird. Zwar gibt es unter ihnen einige, die mit uns sympathisieren, doch sie sind nicht stark genug. Wieder andere stimmen unserem Kampf zu, aber leiten keine aktiven Schritte ein und wahren das komplizenhafte Schweigen. Und wiederum andere - vielleicht ein bedeutender Teil der chilenischen Gesellschaft ? - warten einfach auf die langsame Ausrottung der Mapuche-Bevölkerung oder anderer indigener Gruppen.

Aber solange unsere indigene Kultur schlichtweg übergangen wird, kann es keine wirkliche "Entwicklung" Chiles geben. Denn es werden nur einseitige Entscheidungen getroffen, ohne Rücksicht auf unseren kulturellen Kontext. Schon immer haben wir danach gestrebt, uns von den vom Staat auferlegten Fesseln, die unsere Gemeinschaften in die vollkommene Armut führen, zu befreien. Wir hoffen auf eine integrale und nicht nur technologische Entwicklung. Wir fordern eine Entwicklung, welche die Erde, das Wasser, die Bäume, die Vögel und den gesamten Kosmos respektiert.

Deshalb glauben wir auch, dass besonders wir als indigene Völker mit dem Schutz der Erde beauftragt sind. Seit Jahrtausenden teilen wir unser Leben mit ihr, weil wir ein Teil von ihr sind. So bewahren wir nicht nur die Bäume, sondern alle Kräfte des Universums und der Erde, die für das Leben Sorge tragen. Wir glauben, dass die Berge nicht von den Bäumen getrennt werden können, ebenso wenig wie die Geister unserer Vorfahren von unserem gegenwärtigen Leben.

Der "winka", genauer gesagt das kapitalistische System in seiner ausgeprägtesten Form, ist seit gerade mal 500 Jahre hier und bedroht und zerstört unsere Erde. Das ist einer der größten Unterschiede, die uns vom Staat und den großen Forst-Konzernen trennen, und den Beamten, die vielleicht niemals eine Pflanzen haben wachsen sehen. So sagt es unser großer Bruder Rosamel Millamán -Condor de oro.


Dieser Textauszug wurde entnommen aus:
Elicura Chihuailaf, Recado confidencial a los chilenos, Santiago 1999.

Übersetzung: Sandra Lassak

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SOLIDARIDAD - Berichte und Analysen. 22. Jg, Nr. 214, 2001: 8-9

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