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26.11.2003

Interview

Interview: Reimar Paul  

Mapuche-Indianer in Chile gründen Parlament: Hält Verfolgung nach dem Ende Pinochets an?

jW sprach mit Vicente Mariqueo Quintrequeo. Er ist Mitglied des künftigen Parlaments der Mapuche-Indianer und des Komitees der ehemaligen politischen Gefangenen in Chile
 
F: Die Mapuche-Indianer in Chile wollen ein eigenes Parlament gründen. Wie kam es zu dem Beschluß?

Im Oktober tagte in der Stadt Lota ein dreitägiger Kongreß mit dem Titel »Für eine strategische Einheit des Mapuche-Volkes«. Daran haben etwa 300 Vertreter von Mapuche aus ganz Chile teilgenommen. Unser Ziel war es, uns eine eigene Struktur und eine eigene Vertretung zu geben.

F: Wieviel Indigenas leben in Chile?

Es gibt etwa 1,2 Millionen Mapuche, das entspricht ungefähr einem Zehntel der chilenischen Bevölkerung. Die Mapuche sind damit bei weitem das größte Indigena-Volk in Chile. Es gibt aber auch Aymaras, Quechuas und viele kleine Völker, die auf den Inseln im Süden leben.

F: Vom Pinochet-Regime wurden die Mapuche verfolgt, weil sie Ureinwohner sind. Wie ist die Situation heute?

Für viele Mapuche haben die Verfolgungen nicht aufgehört. Zum Teil läuft die Diskriminierung subtiler als früher, so gibt es nur wenige Mapuche in leitenden Positionen in Wirtschaft und Politik. Viele leiden aber noch heute unter harten Repressionen. So wurde das aus der Pinochet-Zeit stammende Gesetz zur inneren Sicherheit 1997 verschärft. Es wird vor allem auf Mapuche-Führer angewandt, die sich politisch für unsere Rechte einsetzen. Die juristische Verfolgung gründet sich immer auf dieselben Anklagepunkte wie Mitgliedschaft in einer illegalen Vereinigung oder Störung der öffentlichen Ordnung. Die Verfahren werden oft verschleppt, die Untersuchungshaft dauert manchmal Monate. Heute sitzen rund 100 Mapuche als politische Gefangene im Knast, darunter auch etliche Minderjährige.

F: Unter Pinochet wurde den Mapuche auch Land geraubt. Ist die Landfrage inzwischen geklärt?

Nein. Ein Teil des Landes ist längst verkauft. Um andere Teile gibt es Konflikte. Manchmal besetzen Mapuche Land und werden dann wieder vertrieben und kriminalisiert. Viele Mapuche sind in die Städte abgewandert und leben dort meist in den Armenvierteln.

F: Was versprechen Sie sich von einem eigenen Parlament?

Es soll aus jeweils vier Delegierten aller Mapuche-Untergruppen bestehen und in den Bereichen Wirtschaft, Justiz, Internationale Beziehungen, Gesundheit, Wohnen, Erziehung und Kultur tätig werden. Einmal im Monat soll das Parlament zusammenkommen. Wir wollen darauf drängen, daß die allgemeinen Lebensbedingungen der Mapuche verbessert und die Konflikte wie die Landfrage gelöst werden. Das Parlament wird auf eine verfassungsmäßige Anerkennung des Mapuche-Volkes durch die Regierung und die politischen Parteien in Chile hinarbeiten und sich für die politischen Gefangenen einsetzen. Außerdem muß die Regierung eine historische Schuld für die Verbrechen an den Mapuche anerkennen und für Wiedergutmachung sorgen.


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