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Mapuche Nation: Hector Llaitul, Sprecher für die Mapuche-Gemeinden:

"Unser Kampf richtet sich gegen die Ausbeutung des Waldes, aber niemals gegen die Forstarbeiter, die wir als unsere Brüder betrachten"

Autor: Andres Figueroa Cornejo/ Quelle: Resumen Latinoamerico/ The Dawn/ 8. Februar 2016. Interview mit dem Koordinator der sich im Konflikt befindenden Mapuche-Gemeinden über das Thema von 'spontanen' Protestaktionen eines Teils der Waldarbeiter in Mapuche-Territorien, in denen die indigene Bevölkerung Widerstand leistet.

Seit einiger Zeit hat der chilenische Staat diejenigen Territorien militarisiert, in denen der Widerstandskampf der Mapuche gegen die Interessen der Forstwirtschaft, die sich im Besitz des Großkapitals befindet, eine höhere Ebene erreicht hat. Diese Militarisierung führt jetzt zur Anwendung neuer und gefährlicher Strategien, die gegen das Leben der Mapuche gerichtet sind. So wurde zum Beispiel hinter dem Rücken der Bevölkerung ein Gesetz verabschiedet, das es möglich macht, Identitätsüberprüfungen bei Kindern und Jugendlichen durchzuführen, wie sie unter der faschistischen Diktatur üblich waren (dies wurde bei den Vereinten Nationen zur Sprache gebracht und kritisiert). Vor diesem Hintergrund benutzt und manipuliert die private Forstwirtschaft (deren Ziel es ist, durch extreme Ausbeutung der Bevölkerung und Zerstörung indigener Gemeinden sowie der umliegenden Natur Profit zu erzielen) einen Teil ihrer eigenen Arbeiterschaft in den Konfliktgebieten und trägt so zu noch größerer Militarisierung der Region Araukanien bei.

Héctor Llaitul. des 'Koordinationskomitees der sich im Konflikt befindenden Mapuche-Gemeinden' (CAM)

Hektor LLaitul, Sprecher des 'Koordinationskomitees der sich im Konflikt befindenden Mapuche-Gemeinden' (CAM) äußerte sich wie folgt:

Die Mapuche haben sich historisch zunächst gegen die militärische Gewalt der Spanier und dann gegen die militärische Gewalt des kapitalistischen Systems gewehrt, das den Militärapparat des chilenischen Staates für seine eigenen Zwecke benutzt. Seit fast 20 Jahren beteiligt sich CAM an diesem Widerstand. Der berechtigte Anspruch der Mapuche, ihr angestammtes Land zu verteidigen und wiederzugewinnen, ist weltweit bekannt. Es ist ein alter Kampf, der weit über die heutigen Eventualitäten hinausgeht, die sich als private Plünderung von natürlichen Ressourcen und Boden beschreiben lassen. Was steckt in diesem Zusammenhang hinter der neuesten 'spontanen' Bewegung eines Teiles der Waldarbeiter, die ihre Arbeitskraft an die Forstwirtschaftsbetriebe verkauft?

Es besteht kein Zweifel, dass die Mobilisierung eines Teils der Arbeiterschaft zu einer Reihe von Maßnahmen gehört, die von den Herrschenden eingeführt wurden, um ihre Geschäftsinteressen, in diesem Fall die der Forstwirtschaft, auch in Zukunft zu schützen. Fragen wir doch einmal, wer die Nutznießer einer derartigen Mobilisierung sind. Die kleine Minorität an der Spitze der Pyramide bewegt ihre Schachfiguren und Ressourcen, um ihre Interessen durchzusetzen, das heißt, um sicherzustellen, dass ihre Wirtschaftszyklen wie gehabt funktionieren, damit sie ihre Vormachtstellung in der Wirtschaft langfristig beibehalten und weiter Profit erzielen kann. Die Besitzenden in der Forstwirtschaft haben sich nie für die Rechte der Arbeiter und die Zukunft von deren Familien interessiert. Oder haben wir bereits den Arbeiter Rodrigo Cisterna vergessen, der 2007 von der Polizei ermordet wurde, während er an einem Streik von Leiharbeitern teilnahm, die bei einer Firma der Angelini-Gruppe beschäftigt waren?

Die jetzige Situation verstärkt die Militarisierung in den Konfliktzonen noch mehr, eine Militarisierung, die darauf ausgerichtet ist, die private Forstwirtschaft zu schützen und die sich gegen unsere historischen Ansprüche richtet.

  1. Wie lassen sich diese historischen Ansprüche zusammenfassen? Sie basieren auf dem Recht auf Territorium, das unserer Mapuche-Nation zusteht. Dieses Recht trifft unwiderlegbar auf alle Bereiche zu, in denen die Mapuche ihren Kampf führen. CAM wird trotz der neuen Maßnahmen zur Militarisierung der Konfliktgebiete und trotz der zunehmenden Unterdrückung der Mapuche nicht von seinem Weg abweichen.

  2. Die Führer der Arbeiter sagen, es werde mehr 'Sicherheit' gebraucht. Aber die Konzepte von Sicherheit, Militarisierung und Gefängnis gehören zum klassischen Repertoire, wie es von der faschistischsten und rückschrittlichsten Gruppe innerhalb des Großkapitals gebraucht wird. Soziale Sicherheit, Vollbeschäftigung und sichere Arbeitsplätze werden von diesen Kräften nie erwähnt und schon gar nicht die Gründe für soziale Unruhen, die wie immer in prekären und flexiblen Arbeitsplätzen, Arbeitslosigkeit und Mangel an sozialen Rechten ihre Ursache haben...

  3. Aus diesem Grund finden wir es äußerst beunruhigend, dass manche Arbeiter oder vielleicht deren Führer die Ursache des Konfliktes nicht sehen und auch nicht sehen, wie berechtigt unser Kampf ist, wenn sie von 'größerer Sicherheit für die Arbeiter' sprechen. In diesem Zusammenhang sollte insbesondere bedacht werden, dass der Kampf unseres Volkes und unserer Nation hauptsächlich ein Kampf um Territorium und Autonomie ist und darauf abzielt, bestimmte Territorien zurückzuverlangen, die jetzt überwiegend der Forstwirtschaft gehören. Genau diese Situation hat zu einem ganzen Szenario von Konfrontationen mit forstwirtschaftlichen Betrieben geführt. Wir haben schon immer darauf bestanden, dass sich unser Kampf gegen diesen privatwirtschaftlichen Bereich richtet und nie gegen die Arbeiter der kapitalistischen Forstwirtschaft. Wir haben dies in den meisten unserer Widerstandsaktionen bewiesen. Unsere Aktionen richten sich gegen die kapitalistische Wirtschaft, ihre Methoden, ihren Beitrag, etc. und nicht gegen die Aktivitäten der Arbeiter selbst und schon gar nicht gegen deren physisches und psychisches Wohlbefinden. Es ist völlig widersprüchlich zu behaupten, dass Arbeiter in Gefahr waren, als sie auf Besitztümern arbeiteten, die sich in Konfliktgebieten befanden, auf die die jeweiligen Gemeinden historisch begündete Territorialansprüche haben.

  4. In Chile wird das kapitalistische System vom Staat unterstützt und neben Bergbau und Banken ist die Industrie, die die Wälder ausbeutet, einer der größten Nutznießer von Steuergeldern, die der gesamten Arbeiterschaft des Landes abgenommen werden. Und wer ist letztendlich für die Militarisierung von Mapuche-Territorien verantwortlich? Der größte Beitrag zu dieser Militarisierung kommt vom chilenischen Staat und insbesondere von der jetzigen Regierung, die immer noch mit allen Mitteln ein ultraliberales Regierungsmodell durchsetzen will. Gemäß dem Leitfaden, der die Anwendung von Gewalt und Krieg gegen diejenigen Völker der Welt empfielt, die Widerstand leisten, musste die Exekutive des Staates Chile einen Teil der Führer der Waldarbeiter auf ihre Seite bringen, damit sie deren Protest als Argument benutzen konnte, um die ökonomischen Interessen der privaten Forstwirtschaft zu schützen. Damit gerieten die Arbeiter in das Kreuzfeuer der Konfrontation zwischen unseren Mapuche-Streitkräften und den privaten Forstbetrieben.

  5. Unser letztes Interview fand im Zusammenhang mit dem Protest von LKW-Besitzern Ende August 2015 statt. Gibt es eine Verbindung zwischen dem damaligen Protest und der jetzigen Situation? Damals stellten wir die Frage, ob es gut sei, LKW-Besitzer-Gewerkschaften als 'Trojanische Pferde' zu benutzen, um die Interessen der privaten Forstwirtschaft zu schützen. Jetzt sieht es noch schlimmer aus, denn es werden Gewerkschaften manipuliert, um repressive politische Maßnahmen in Mapuche-Territorien zu rechtfertigen. Deren Führer, insbesondere die der LKW-Fahrer, gaben Stellungnahmen ab, die vollendete Tatsachen herstellten und es sind genau diese Führer, die aus den Forstarbeitern 'Kanonenfutter' machen. Es ist auch notwendig, klarzumachen, dass die Verantwortung für einige ungewollte Ereignisse, die das Leben unserer Arbeiter-Brüder negativ beeinträchtigt haben, beim chilenischen Staat und den verantwortlichen Behörden zu suchen ist, weil diese bereit sind, die Arbeiter auf ganz gemeine Art und Weise gegen die mobilisierten Mapuche einzusetzen

  6. Was wäre das logische Vorgehen in Bezug auf das Anliegen der Mapuche gewesen? "Die Forstarbeiter hätten das Unrecht erkennen müssen, das unserem Volk widerfährt und sie hätten eine politische Lösung auf hoher Ebene fordern müssen, um den politischen und territorialen Ansprüchen unseres Volkes gerecht zu werden und gleichzeitig ihre eigenen Arbeitsstellen zu schützen, aber außerhalb der Konfliktzonen. Sie hätten die Einstellung ihrer Arbeit fordern müssen oder sich weigern müssen, auf Ländereien zu arbeiten, auf die Mapuche-Gemeinden historisch einen Anspruch haben. Auch hätten sie eine Art Wiedergutmachung von den privaten Forstbetrieben und dem Staat fordern müssen, wenn ihre Arbeitsstellen gefährdet waren, ohne dabei aus dem Blick zu verlieren, dass wir Mapuche historische, kulturelle und politische Gründe haben, weshalb wir die Territorien zurückgewinnen wollen, die sich jetzt in den Händen von Privatbetrieben befinden und dass wir Opfer einer äußerst grausamen Plünderung sind, der dieser Tage vom Rohstoff abbauenden Kapitalismus im Wallmapu betrieben wird. Wir fordern Respekt und Rücksichtnahme, was unser Vorgehen anbetrifft, denn es beruht auf territorialen Rechten und Bestreben nach Autonomie für unsere Mapuche-Nation. Die autonome Mapuche-Bewegung hat zwei Jahrzehnte lang mobilisiert und um ihr Territorium und ihre Autonomie gekämpft. Sie hat dabei niemals den Arbeitern feindlich gegenüber gestanden. Warum nicht? Weil wir uns voll bewusst sind, dass auch diese Arbeiter unterdrückte Menschen sind und innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise beherrscht und ausgebeutet werden.

  7. Was wird das Koordinationskomitee der sich im Konflikt befindenden Mapuche-Gemeinden (CAM) jetzt tun?

CAM wird trotz der neuen Maßnahmen zur Militarisierung der Mapuche-Gebiete und Unterdrückung der Mapuche seine begonnene Arbeit kontinuierlich fortsetzen, denn unser Anliegen basiert auf nationalem Wiederaufbau und Widerstand und wir folgen den Prinzipien von ad mapu ka nor mongen (Mapuche-Gesetzgebung über den Umgang mit der Umwelt-die Übersetzerin). Unsereethischbegründete politischen Tätigkeit schützt nicht nur das Leben und die Sicherheit unserer eigenen Leute, sondern auch all derer, die indirekt beteiligt sind. Als autonome Mapuche-Organisation werden wir daher weiter territorialen Widerstand organisieren und Aktionen gegen kapitalistische Investitionen durchführen, und zwar insbesondere im Forstbereich, weil die Investitionen in diesem Bereich katastrophale Auswirkungen auf das Leben der Mapuche im Allgemeinen sowie auf dessen spezifische ökonomische, soziale und kulturelle Aspekte haben. In diesem Zusammenhang werden wir ganz besonders vorsichtig vorgehen, wenn Arbeiter/Innen zugegen sind.
Quelle: The Dawn

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Übersetzung aus dem Englischen: Barbara Chambers (Diploma in Translation)

Überarbeitet von Bärbel A. Rautenberg
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