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Lonko Juana Calfunao tritt in den Hungerstreik

Mitteilung von Juana Rosa Calfunao Paillalef

10. Januar 2006

  1. Wie ihr wisst, wurde ich am 05. Januar 2006 von der Richterin des Amtsgerichtes, Maria Elena Llanos, in Haft gesetzt. Dies geschah auf Ersuchen des Staatsanwaltes, Alberto Chiffelle, da ich als „Gefahr für die Gesellschaft“ angesehen werde, als mutmassliche Anstifterin zu den Vergehen „Störung der öffentlichen Ordnung“ und „Bedrohung von Polizisten im Dienst“.

    Bei der Anhörung, die am betreffendem Tag stattfand, hat es der Staatsanwalt gewagt, meine indigene Gemeinschaft als „Bande“ zu bezeichnen und mich als deren Anführerin. Das ist die Art von Respekt, den die Vertreter des Chilenischen Staates ihren Einwohnern mit Mapuche-Abstammung zollen, die ihre rechtmässigen Rechte einfordern und für sie kämpfen.

  2. Dieses Verfahren hat seinen Ursprung in der Forderung der Gemeinschaft Juan Paillalef an das Ministerium für Öffentliche Bauten wegen Nichtigkeit der Enteignung von fast 10'000m 2 (widerrechtlich enteigneten) Landes der Gemeinschaft durch den Bau einer Strasse.

    Im Oktober 2004, nachdem uns die Strasse genommen worden war, kamen wir zu einer politischen Übereinkunft mit der Ministerialsekretärin für Öffentliche Bauten dahingehend, dass falls entschieden werden sollte, dass die Ländereien illegal und unrechtmässig enteignet worden waren, besagte Behörde in Kürze die Enteignung, die uns betraf, begrenzen würde.

    Mit der Verfügung Nr. 0395 vom 01.06.2005 hat mich die Ministerialsekretärin Jazmín Balboa informiert, dass der Generaldirektor der Öffentlichen Bauten die Enteignung aufgrund des Erlasses Nr. 947 vom 10.04.1947 bewilligt hat. Unter anderem auch die Parzelle Nr. 6 lautend auf den Namen Ambrosio Calfunao, dies sei im Januar 1949 bekannt gegeben worden und die Bezahlung von $600 mit Datum vom 13.01.1949 sei im Schatzmeisteramt von Santiago schriftlich festgehalten. Der erwähnte Erlass hat die Enteignung von 300 m 2 gestattet.

    Ich halte fest, dass die $600 nie wirklich an meinen Vater Ambrosio Calfunao ausbezahlt wurden. Sein guter Glaube und seine Unwissenheit wurden ausgenutzt, er war Analphabet in der spanischen Sprache, da er nur Mapudungun sprach. Aber er war ausserdem nie der Eigentümer dieses Landes, da es laut Urkunde von 1913 der Familie Paillalef gehörte. Und er hat meine Mutter, Eigentümerin durch Erbschaft, nie legal geheiratet, da es keine Ehegemeinschaft gab, die mein Vater vertreten konnte.

    Das heisst, er wurde enteignet und angeblich als Nichteigentümer bezahlt. Der Chilenische Staat war trotz all seiner Hilfsmittel nicht in der Lage, diesen Raub gesetzmässig zu machen. Eine juristische Regel besagt: „Derjenige, der schlecht zahlt, zahlt zweimal.“. Aber der Raub ist viel offensichtlicher, denn selbst wenn man voraussetzt, dass alles rechtmässig oder formal korrekt abgewickelt wurde, so ist hat die auf dem Land meiner Gemeinschaft erbaute Strasse eine Länge von 670m und eine Breite von 25m. Das heisst, die Strasse hat eine Oberfläche von 10'200 m 2 . Selbst wenn wir uns einverstanden erklären würden, dass 300 m 2 legal enteignet wurden, bleiben immer noch 9'900 m 2 , die uns geraubt und nicht gegen Bezahlung enteignet wurden.

    Darauf berufe ich mich in meinem Kampf um die Strasse, die mitten durch unsere Gemeinschaft führt und uns gehört.

    Und nun, obwohl die rechtliche Lage offensichtlich ist und die Ministerialsekretärin der Öffentlichen Bauten die Abmachung einhalten sollte und die rechtmässige Enteignung und die Zahlung für unsere 9'900 m 2 verfügen sollte, drückt sie sich vor ihrer Verantwortung; sie lügt und sagt, die Strasse sei enteignet und bezahlt worden. Sie hält sich nicht an die Abmachung und sie strebt an, unsere rechtmässige Beschwerde mittels polizeilicher Unterdrückung zu aufzulösen.

  3. ber ihr wisst, dass diese Inhaftierung nichts weiter als die Kirsche ist, die die Torte krönt, weil ich bereits seit Jahren Opfer von Gewalttätigkeiten, Missbrauch und Vergehen seitens staatlicher Vertreter und Privatpersonen bin. Vor Jahren habe ich ein Kind, das ich in meinem Leib trug, als Folge eines Schlages, den ich von Polizisten erhielt, verloren. Ich hatte eine Fehlgeburt.

    Danach wurde mir durch einen Schlag, versetzt vom Führer der Spezialkräfte von Temuco, ein Zahn kaputt gemacht. Das weil ich ein Kind verteidigte, das von Polizisten während einer Demonstration geschlagen wurde. Die regionale Behörde billigte stillschweigend seine Taten.

    Mein Haus auf dem Land wurde dreimal vorsätzlich abgebrannt. Obwohl zwei Gerichtsverfahren beim Öffentlichen Ministerium hängig sind, in einem davon war ein Staatsanwalt mit erster Priorität mehr als einen Monat tätig, war man nicht in der Lage, die Verursacher herauszufinden.

    Zwischen den Brandanschlägen wurde ich von paramilitärischen Gruppierungen, die vor meinem Haus vorbeimarschierten und ihre Waffen vorführten, belästigt, bedroht und eingeschüchtert. Sie haben mehrmals, vor allem nachts, auf mein Haus geschossen.

    Sie haben mir Haustiere getötet.

    Sie haben mehrmals, direkt und auf Umwegen, Morddrohungen gegen mich ausgesprochen. Auch gegen meine Mutter und meine Kinder, eines haben sie sogar erstochen.

    Es ist klar, dass meine Arbeit als Verteidigerin der Menschenrechte meines Volkes einigen mächtigen Nachbarn, die gegenwärtig „Eigentümer“ oder Besitzer widerrechtlich angeeigneten Landes der benachbarten Mapuche-Gemeinschaften sind, unbequem ist.

    Jedes Mal wenn ich von Polizisten festgenommen wurde, haben sie sinnlose und übertriebene Gewalt gegen mich angewendet. Sie haben mir offenkundige und deutliche Verletzungen zugefügt, die manchmal vom diensthabenden Rechtsmediziner und vom Staatsanwalt geleugnet wurden, obwohl sie von einer Richterin höchstpersönlich festgestellt wurden.

  4. Aufgrund aller Gewalttätigkeiten und Missbräuchen, die ich flüchtig beschrieben habe und weil der Chilenische Staat in meinem Fall gezeigt hat, dass er ein rassistischer und unterdrückender Staat ist, der seine Vertreter, Polizisten, Staatsanwälte und Richter dazu benutzt, meinen rechtmässigen Kampf zum Schweigen zu bringen, mich zu schlagen, mich einzukerkern und nicht einmal meine rechtmässigen Bittgesuche anzuhören, habe ich mich entschlossen, meiner chilenischen Nationalität zu entsagen .

    Ich kann nicht Teil eines Staates sein, ein internationales Gesicht zeigt, das ihn als demokratisch, fortschrittlich, respektvoll und fördernd für die Menschenrechte zeigt und der mit seiner Maske von Unterdrückung, Schmähungen und Inhaftierung der Aktivisten für die rechtmässigen Begehren der Mapuche antwortet, wenn intern Gerechtigkeit eingefordert wird.

    Deshalb trete ich, Juana Rosa Calfunao Paillalef, Lonko der Gemeinschaft Juan Paillalef, heute, 10.01.2006, in den Hungerstreik (trocken, ohne Nahrung herunterzuschlucken) bis sich die zuständigen Behörden zu all den begangenen Rechtsverletzungen, ausgeübt an unserer Gemeinschaft, geäussert haben:
  • Die Aufklärung der Brandstiftungen

  • Die Abgrenzung und Einschliessung meiner Gemeinschaft

  • Die Umleitung des Flusses zu meiner Gemeinschaft

  • Gerichtsverfahren mit Frontel S.A.

  • Paramilitärische Gruppierungen, die gegen meine Gemeinschaft agieren

  • Ministerium für Öffentliche Bauten, wegen der Strasse, die durch unsere Gemeinschaft führt

  • Körperliche Misshandlungen und Verfolgung von Gemeinschaftsmitgliedern, illegale Festnahme durch die Militäranwaltschaft

Unterzeichnet

Juana Rosa Calfunao Paillalef
Lonko de la comunidad Juan Paillalef
Comuna de Cunco IX Región Temuco


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