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Chile: Gerichtsverfahren gegen Anführer der Mapuche wegen verbotener terroristischer Vereinigung

Das Observatorium entsandte eine Beobachtermission zur Verhandlung nach Temuco

Geneva- Paris, 12. Juli 2005

Das Observatorium zum Schutz von Verteidigern der Menschenrechte, ein gemeinsames Programm mit der Weltorganisation gegen Folter (OMTC) und dem Internationalen Verband für Menschenrechte (FIDH), hat eine Delegation nach Temuco, Chile, geschickt um die mündliche Verhandlung gegen die lonkos (traditionelle Mapuche-Autoritäten) Pascual Pichún Paillalao, Aniceto Norín Catriman und vierzehn weitere Mitglieder der Mapuche-Gemeinde zu beobachten, die der verbotenen terroristischen Vereinigung angeklagt sind und deren Fall seit dem 13. Juni 2005 in einem öffentlichen Verfahren verhandelt wird. Ausgestattet mit einem Mandat vom Observatorium, befindet sich Dr. Luis Rodrigues Piñero Royo, Dozent für die Gesetze eingeborener Völker und das Politikprogramm an der Universität von Arizona sowie Experte für die Rechte eingeborener Völker im internationale System, gegenwärtig in Temuco um die Einhaltung von internationalen Rechtsstandarts im Verfahren zu überwachen. Den Angeklagten werden terroristische Verbrechen auf Grund ihrer vermuteten Mitgliedschaft in der Coordinadora Auracao Malleco (CAM) und im Zusammenhang mit verschiedenen Protestaktionen in den Jahren von 1997 bis 2001, die auch Brandstiftung und Sachbeschädigung beinhalteten, angelastet. In Übereinstimmung mit dem Antiterrorgesetz (Gesetz 18.314) drohen den Beschuldigten lange Haftstrafen, was sowohl national als auch international scharfe Proteste hervorrief. Dies ist der zweite Prozess der in dieser Angelegenheit gegen die Gemeindemitglieder eröffnet wurde. Ein früheres Verfahren wurde im November 2004 vom selben Gericht aus Mangel an Beweisen eingestellt, aber vom höchsten Gericht des Landes in einer sehr fragwürdigen Entscheidung annulliert.   

Die lonkos Pascual Pichún und Aniceto Norín sitzen seit April 2004 Haftstrafen im Gefängnis von Traiguén ab, zu denen sie in den ersten Prozessen gegen Mapuche-Führer im Rahmen des Antiterrorgesetzes verurteilt wurden. In erster Instanz wurden sie freigesprochen, aber Chiles Surpreme Court stürzte das Urteil um, und in einem zweiten Verfahren, das im September 2003 stattfand, wurden sie für das angebliche Verbrechen Terrordrohungen zu verbreiten zu fünf Jahren und einem Tag Gefängnis verurteilt. Inzwischen sind verschiedene Strafen gegen Mapuche-Führer im Rahmen des besagten Gesetzes verhängt worden.

Die Anwendung des Antiterrorgesetzes auf die Gerichtsverfahren um territoriale Ansprüche der Anführer der Mapuche und auch die Verwendung besonderer Gerichtsmethoden, wie der Erklärung sogenannter "gesichtsloser Zeugen”, wurde von verschiedensten internationalen Organisationen angeprangert. 2003 empfahl der Spezialbeauftragte der Vereinigten Nationen für die Situation der Menschenrechte und die fundamentalen Freiheiten eingeborener Völker, Rodolfo Stavenhagen, nachdrücklich  "das Ergreifen von Maßnahmen um die Kriminalisierung rechtmäßiger Handlungen des Protests oder gesellschaftlicher Forderungen" der Mapuche-Bevölkerung zu vermeiden. Dieselbe Meinung wurde vom Ausschuss für  wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Rechte der Vereinigten Nationen nach seinen letzten Beobachtungen in Chile vertreten. Gleichzeitig wurde hervorgehoben, dass es vor der Inneramerikanischen Kommission für Menschenrechte fünf offene Fälle, wegen Unregelmäßigkeiten bei den laufenden Prozessen gegen terrorverdächtige Mapuche-Führer, gibt.

Das Observatorium hofft, dass das Gericht in Temuco ein Urteil im Einklang mit den Menschenrechten und den internationalen Normen fällt, insbesondere im Einklang mit der internationalen Konvention für zivile und politische Rechte, dessen Artikel 14.1 besagt, dass "alle Menschen vor Gericht gleich sind". Jeder wird das Recht haben öffentlich angehört zu werden, mit der Garantie eines fähigen, unabhängigen und unparteiischen Gerichtes, das vom Gesetz legitimiert ist, gleichgültig ob in einem Straf- oder einem Zivilprozess.

Das Observatorium drängt die chilenische Regierung rechtzeitige Maßnahmen zu ergreifen um die psychische und physische Integrität und das Recht auf einen ordnungsgemäßen Prozess für die Anführer und die anderen Mitglieder der Mapuche-Gemeinde zu garantieren, damit wenn es keine Beweise gegen sie gibt, die Anklagen zurückgezogen werden, und ihnen unmittelbar und bedingungslos ihre Freiheit zurückgegeben und damit in Fällen in denen ihre Rechte verletzt wurden, eine adäquate Entschädigung geleistet wird. Das Observatorium nimmt an, dass der chilenische Staat seinen internationalen Verpflichtungen, die einen ordnungsgemäßen Prozess verlangen, nicht entsprechen kann, ohne die Antiterrorgesetzgebung der Ära der Gewaltherrschaft von Augusto Pinochet abzulehnen. Diese Gesetzgebung wird gegenwärtig politisch gegen Aktivisten und Verteidiger der Rechte eingeborener Bevölkerungsteile benutzt und verneint ihre Rechte auf faire Gerichtsverfahren.

Translated by Daniel Fröhler

 

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