Solidarität und Unterstützung für die politischen Gefangenen der Mapuche-Nation Europa, Dezember 2003 Vor kurzem hat die "Chilenische Kommission für Wahrheit und Erneuerung" einen Bericht veröffentlicht, in dem sie zugibt, dass indigene Völker durch Rassenvernichtungsmaßnahmen ausgelöscht werden. Dieser Bericht weist auch auf das Risiko hin, dass die Kawesquar und Yagan vielleicht aussterben werden. Dies beweist, dass wir weiterhin von der Gefahr einer Vernichtung der gesamten indigenen Bevölkerung Chiles ausgehen müssen. Seit der Veröffentlichung des Gesetzes Nr. 19.253 vom 5. Oktober 1993 über Schutz, Förderung und Entwicklung indigener Völker in Chile, das dem Pakt von Nuova Imperial (1.11.89) folgte, ist ein Jahrzehnt vergangen. Trotzdem muß festgestellt werden, dass die indigenen Völker Chiles durch die Interessen des internationalen Kapitalismus unterdrückt werden und dass dies auch weiterhin so bleiben wird. Wie aus dem Bericht der "Chilenischen Kommission für Wahrheit und Erneuerung" hervorgeht, interpretieren die Vertreter des chilenischen Staates das Gesetz über indigene Völker stets so, dass den Profitinteressen multinationaler Konzerne, die in Chile tätig sind, Priorität vor den Forderungen und Bedürfnissen der indigenen Völker eingeräumt wird. Die Kommission gibt dem System indigener Reservate und der Aufteilung von Land Vorrang vor jedweden Forderungen der Mapuche. Ein Diktat solcher juristischer und territorialer Bedingungen ist eine kolonialistische Taktik und kann nicht als akzeptable Lösung betrachtet werden. Nach fast drei Jahren erfolgreichen Wirtschaftswachstums in Chile kann festgestellt werden, dass das soziale Projekt und besonders der sogenannte "Fortschritt", der von der ökonomischen und politischen Elite verkündet worden ist, weder soziale Wohlfahrt noch Demokratie mit sich bringt. Freie Marktwirtschaft und Demokratisierung scheinen sich nicht miteinander vereinen zu lassen. Neoliberale Strukturveränderungen haben der ungleichen Verteilung von Einkommen und Reichtum zu einem neuem Aufschwung verholfen, wobei die indigenen Völker am schlechtesten abschneiden. Staudämme zur Betreibung von Wasserkraftwerken, Mülldeponien und Straßen sind auf geweihtem Land der Mapuche angelegt worden. Abholzungsrechte für natürliche Waldgebiete sind vergeben worden und Mapuche-Land ist an Holzfällerfirmen und Forellenzüchtungsbetriebe verteilt worden. All dies zeigt, dass der chilenische Staat nicht die Absicht hat, die Unberührbarkeit der traditionell von den Mapuche bewohnten Gebiete zu garantieren. Die Ausplünderung von Naturreichtümern, die von multinationalen Konzernen mit dem Segen der chilenischen Regierung durchgeführt wird, führt zu Elend und einer beträchtlichen Verschlechterung der Umwelt in Mapuchegebieten. Jeder Versuch der Bewohner, aus dem ihnen aufgebürdeten Elend auszubrechen, wird mit politischer Unterdrückung beantwortet. Es ist ganz offensichtlich, dass alle Personen, die sich aktiv für bessere Lebensbedingungen, Gerechtigkeit und Freiheit für unser Volk einsetzen, der Unterdrückung und Verfolgung ausgesetzt sind. Hunderte von Mapuche werden im Zusammenhang mit Fällen, die sich auf die Zurückgewinnung von Mapuche-Land beziehen, vor Chiles Zivil- und Militärgerichte gezerrt. Auch sind über zehn politische Führer der Mapuche zur Zeit hinter Gittern. In all diesen Fällen wenden die chilenischen Gerichte aus den Zeiten der Diktatur stammende Maßnahmen politischer Justiz selektiv an - das Gesetz zur Nationalen Sicherheit und das Anti-Terrorismus-Gesetz. Vor einem Jahr wurde unser Bruder Edmundo Lemun, ein siebzehnjähriger junger Mann, von einem chilenischen Polizeibeamten erschossen. Das chilenische Militärgericht stellte den Fall ein, mit dem Argument, dass das Erschießen eines unbewaffneten jungen Mannes ein Akt der Selbstverteidigung gewesen sei. Dies ist wieder einmal ein Beispiel dafür, dass die chilenischen Gerichte die Unantastbarkeit des Militärs und der Polizei garantieren. In den letzen paar Monaten sind Hunderte von Mapuche vor Gericht gezerrt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt worden. Zur Zeit stehen mehrere politische Gefangene im Hungerstreik. Pascual Pichun und Aniceto Norin, zwei Mapuche-Lonkos (Häuptlinge), wurden für sogenannte " terroristische Drohungen" zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Aus Protest gegen diesen schamlosen Gesetzesmissbrauch traten sie am 7. Oktober dieses Jahres in einen unbefristeten Hungerstreik. Seit dem 3. November steht ein weiterer Mapuche-Lonko, Jose Cariqueo, in einem unbefristeten Hungerstreik. Er steht wegen "unzulässiger terroristischer Verbindungen" vor Gericht. Seit Beginn der "Demokratie" sind die Gesetze zur Nationalen Sicherheit und die Anti-Terroristen-Gesetze nur gegen Mapuche angewendet worden. Die Vertreter des chilenischen Staates benutzen die Polizei, um unser Volk militärisch und politisch zu unterdrücken und das juristische System, um unsere politischen und traditionellen Führer rechtlich zu belangen. Sie haben die Absicht, ein ganzes Volk, seine Kultur und seine Identität hinter Gitter zu bringen. Im Hochsicherheitsgefängnis der Stadt Concepcion sitzen zwei unserer hervorragendsten politischen Führer, Jose Huenchunao Marinan und Victor Ancalaf Llaupe wegen "unzulässiger terroristischer Verbindungen" hinter Gittern. Als in Europa lebende Mapuche bitten wir alle Menschenrechtsorganisationen und alle anderen Organisationen, die bereit sind sich mit den Mapuche zu solidarisieren, sowie politische Organisationen und die Gesellschaft im allgemeinen, sich für die Verteidigung von politischen Gefangenen des Mapuche-Volkes einzusetzen und den Kampf unseres Volkes für Gerechtigkeit und Freiheit zu unterstützen. Wir bitten Sie darum, mit den unten angegebenen chilenischen Instanzen in Kontakt zu treten und zu fordern, dass diese den Status respektieren, den ihre politischen Gefangenen gemäß internationaler Abmachungen haben, insbesondere gemäß der Abmachungen, die in der "Interamerikanischen Vereinbarung zur Verhinderung und Sanktionierung von Folter" und der "Internationalen Vereinbarung zur Beseitigung von Rassendiskriminierung" festgelegt sind. Bitte machen Sie deutlich, dass Sie die bedingungslose Respektierung internationaler Menschenrechtsabkommen verlangen und dass die Forderungen der sich im Hungerstreik befindenden politischen Gefangenen gehört werden müssen. Wenn Sie Zugang zu weiteren Informationen haben
wollen, wenden Sie sich bitte an: Jorge Calbucura Reynaldo Mariqueo _________________________ Betrifft: Besorgnis um die Mapuche Gefangenen Kopien an: Justizminister Luis Bates Hildalgo Sehr geehrter Herr Präsident! Wir sind sehr besorgt über die Gefangennahme von politischen sowie traditionellen Führern der Mapuche. Besonders besorgt sind wir über den Gesundheitszustand der sich im Hungerstreik befindenden Gefangenen in mehreren Chilenischen Gefängnissen. Patricia Troncoso befindet sich in einem kritischen Zustand. Sie ist seit 14 Monaten in Gefangenschaft und seit dem 12. Oktober 2003 im Hungerstreik. Wir haben Informationen von Mapuche Gemeinden und den Gefangenen selbst erhalten. Die meisten Mapuche Gefangenen sind durch zwei Verfahrensweisen angeklagt und verurteilt worden: Durch "fiscales", die ernannt worden sind, um diese Fälle zu behandeln und durch Militärtribunale. Diese Art von Behandlung widerspricht krass dem Prinzip von "non bis in idem". Die meisten der Gefangenen mussten zwei Gerichtsverhandlungen über sich ergehen lassen, da sie angeklagt wurden, sowohl gegen das Strafgesetzbuch als auch gegen das Militärgesetz verstoßen zu haben. Sie wurden unter Zuhilfenahme des Anti-Terrorismusgesetzes, des Gesetzes gegen die Verwendung von Schusswaffen oder des Staatssicherheitsgesetzes angeklagt. Die meisten Mapuche, die jetzt im Gefängnis sitzen, haben keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand gehabt, dem sie sich hätten anvertrauen können. Auch hat man ihnen keine Übersetzer zur Verfügung gestellt, wenn sie diese brauchten. Die Chilenische Justiz hat keine Verteidigung zugelassen. Die meisten Gefangenen sind auf grausame Weise verhört worden, bevor sie dem Rechtsystem übergeben wurden. Dadurch, dass man die Mapuche als Terroristen angeklagt und verurteilt hat, hat man ihnen die Möglichkeit genommen, mit Hilfe einer Kaution weiter in Freiheit zu leben und andere Urteile zu erhalten als Gefängnisstrafen. Im Gefängnis haben sie extrem harte Bedingungen über sich ergehen lassen müssen und sie sind Zeugen einer einschüchternden und rassistischen Behandlung durch die Gefängnisverwaltung geworden. Herr Präsident, wir sind äußerst alarmiert über diese
Ereignisse und bitten Sie insbesondere darum, den Forderungen der sich
im Hungerstreik befindenden Aufmerksamkeit zu schenken.
Die Behandlung politischer Gefangener der Mapuche-Nation gemäß internationaler Gesetzgebung und insbesondere die Beachtung der folgenden zwei internationalen Konventionen: Der Interamerikanischen Konvention zur Verhinderung und Bestrafung von Folter und der Konvention, die alle Rassendiskriminierung beenden soll.
Luis Bates Hidalgo Übersetzung aus dem Englischen:
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